der 7. Oktober 10. Okt 2024

Eine tausendfache Tragödie

Plakate am Flughafen Ben Gurion erinnern an Geiseln in Gewalt der Hamas und rufen nach deren Befreiung. Aviv Atzili wurde von den Terroristen bereits am 7. Oktober bei der Verteidigung seines Kibbuz…

Ein persönlicher Blick auf die Auswirkungen des 7. Oktobers auf jüdische Menschen weltweit. 

Wir erleben die finstersten Tage des jüdischen Volkes seit dem Zweiten Weltkrieg. Das ist keine Übertreibung und ich spreche dabei auch aus eigener Erfahrung. Denn die Hamas-Terroristen haben am 7. Oktober 2023 Liat Beinin Atzili, die Tochter meines in Israel lebenden Cousins Yehuda Beinin und eine Amerikanerin israelischer Abstammung, aus dem Kibbuz Nir Oz als Geisel genommen. Erst Monate später konnten wir vom israelischen Militär erfahren, dass die Terroristen ihren Mann Aviv bei der Verteidigung des Kibbuz getötet und seine Leiche nach Gaza gebracht haben. Liat konnte aufgrund intensiver, diplomatischer Bemühungen mit anderen Geiseln am 27. November freikommen. Wir haben dafür den Interventionen meines Kongressabgeordneten Joe Courtney und seiner Stabschefin Ayanti Grant zu danken, die ihrerseits das Aussenministerium, Aussenminister Tony Blinken und Präsident Joe Biden angesprochen haben. Die Leiche Avivs befindet sich noch immer in Gaza.

Dies ist meine persönliche Tragödie. Multiplizieren Sie das mit einem Faktor tausend, um die Auswirkungen des 7. Oktober auf die Menschen in Israel und Juden weltweit zu verstehen. Auch das Ausmass des Versagens des israelischen Sicherheitsapparates bleibt mir immer noch unbegreiflich. Und wer kann das Vorgehen und die Strategie der Netanyahu-Regierung in dem Konflikt mit den Palästinensern und die Verzweiflung verstehen, die seit dem 7. Oktober über Israel und die jüdische Welt gekommen ist? Dieser Angriff ist eine Katastrophe in der jüdischen Geschichte, die Fassungslosigkeit auslöst

Tiefe Bande
Deutlich wurden jedoch auch die tiefen, über Generationen gewachsenen Bande zwischen der jüdischen Gemeinschaft hier und Israel. Diese sind vielfältig und nicht zuletzt mit dem Sechstagekrieg 1967 verbunden – eine Erfahrung in unserer eigenen Familie. Zuvor war Israel als jüdischer Staat zwar wichtig, aber nicht zentral für das jüdische Selbstverständnis hier. Doch der schnelle Sieg über die arabischen Nachbarstaaten im Juni 1967 flösste Juden in Amerika und weltweit einen tiefen Stolz und Verlangen nach Bindungen und Nähe zu dieser jungen und starken jüdischen Nation ein. Daraus erwuchs unweigerlich der Wunsch, durch persönliches Engagement und Unterstützung zum Gedeihen Israels beizutragen. Zudem wurde nun eine bewusst jüdische Identität möglich, die nicht mehr primär an die Religion, sondern modern, vital und an liberale, fortschrittliche Werte gebunden war. So unterstützten amerikanische Juden und ihre Organisationen nicht allein den Staat, sondern direkt eine Vielfalt an Institutionen wie Universitäten, Spitäler oder Kultureinrichtungen in Israel. Und seit den späten 1970er Jahren wurde Israel der Rolle als Zuflucht und Heimat bedrängter Juden in jedem Weltwinkel durch die massive Zuwanderung aus der Sowjetunion oder die Rettung von Juden aus Äthiopien erneut gerecht. Dazu kam die Festigung der Nation in der engeren Nachbarschaft durch die Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien.

Für das Verständnis meiner persönlichen Reaktion auf den 7. Oktober dürften Kenntnisse über meinen Hintergrund nützlich sein. Ich wuchs in einem Wohnblock in Washington Heights auf, im Norden von Manhattan. Wir wohnten in der fünften Etage eines sechsstöckigen Gebäudes. Unsere Nachbarn waren Holocaustüberlebende aus Griechenland, die mich oft in ihre Wohnung einluden, um mir Griechisch beizubringen und mir griechische Gerichte vorsetzten. Über mir wohnte mein Freund Irving. Seine Eltern kamen aus Berlin. Sein Vater zeigte mir die Nummer, die auf seinen Arm tätowiert war. Das machte mir Angst. Zwei Stockwerke unter mir wohnte eine alleinstehende ältere Dame aus Wien. Sie trug eine Pelzstola, wenn sie mit ihrem Dackel spazieren ging und sah eigentlich immer aus, als ob sie auf dem Weg in die Oper wäre. Als sie sich die Hüfte brach, konnte sie ihren Hund nicht mehr ausführen. Sie starb wenig später.

In jedem Wohnhaus lebten Holocaustüberlebende und ihre Kinder, vor allem aus Deutschland. Deshalb trug unsere Nachbarschaft den Spitznamen «Viertes Reich». Meine Familie stammte jedoch aus Russland. Meine Grossmutter hatte ein Pogrom überlebt. Ihre Kinder waren alle sozialistische Zionisten; zwei von ihnen zogen nach Israel. Einer von ihnen, der Vater meines Cousins Yehuda, ist dort begraben. Mein Vater war Soldat im Zweiten Weltkrieg und in einem Feldlazarett eingesetzt, hauptsächlich in Frankreich. Das «Eisenhower Jacket», seine Uniform, die in unserem Schrank hing, durfte nicht berührt werden. Seine Kriegsbeute waren keine Pistolen, sondern medizinische Scheren, die er nach Hause brachte und tatsächlich dazu benutzte, Pflaster und Verbände von unseren Knien zu schneiden.

Mein Grossvater väterlicherseits hiess ursprünglich Smolensky, aber er änderte seinen Namen in Fischer. Er trug den Titel eines «Reverend», leitete eine Synagoge in New Haven und eröffnete dann ein Trauzimmer in Washington Heights. Meine Mutter lernte meinen Vater nach dem Krieg, aber vor seiner Entlassung, bei einer Tanzveranstaltung der United Service Organisation für Militärangehörige kennen. Nach ihrer Heirat gab meine Mutter ihre sozialistisch-zionistische Loyalität auf und übernahm den konservativeren und strenggläubigeren Lebensstil meines Vaters. Ihre Mutter, Ida Beinin, lebte bei uns. Wir waren zu fünft in einer Zweizimmerwohnung. Es war ein beengtes, aber freudvolles Leben.

Dank der Anwesenheit meiner Grossmutter mütterlicherseits wurden alle wichtigen Feiertage, insbesondere Pessach, in unserer Wohnung gefeiert. Dann kam ein Dutzend Verwandte zu uns fünfen zum Seder. Der Abend geriet stets zu einer Debatte zwischen meinem Vater, der die gesamte Haggada lesen wollte, und seinen Schwagern, die lieber über Natur, Landwirtschaft und den Zionismus reden wollten. Als Teenager folgte ich meinen Cou-sins und trat Hashomer Hatzair bei, der am weitesten links stehenden zionistischen Jugendbewegung. Das gefiel meinem Vater gar nicht, er war überhaupt kein Zionist. Als ich ankündigte, dass ich nach der High School für ein Jahr mit dem Programm des Institute for Youth Leaders from Abroad nach Israel gehen würde, verweigerte er mir seine Erlaubnis. Als ich ihm nicht gehorchen wollte, zitterte er buchstäblich vor Wut.

Konfrontation mit dem extremen Dschihadismus
Mein Jahr in Israel war 1966/67, meine Mutter kam mich mittendrin besuchen. Dann versuchten meine Eltern während der Spannungen vor dem Sechstagekrieg verzweifelt, mich zur Heimkehr zu bewegen. Ich widersetzte mich ihnen erneut und grub unterirdische Garagen für die Lastwagen und Traktoren des Kibbuz Amiad an der Grenze zu Syrien, bekam ein tschechisches Repetiergewehr aus dem Zweiten Weltkrieg in die Hand und einen Wachposten am Rand des Kibbuz zugewiesen. Kurz vor Kriegsausbruch konnten meine Eltern meine Verlegung von der Grenze ins Landesinnere erwirken.

Als ich nach Hause zurückkehrte, wurde ich von meinem nun für den Zionismus entflammten Vater begrüsst, der mich vor seiner Gemeinde über mein Jahr in Israel und den Sechstagekrieg sprechen liess. Andere Synagogen in Washington Heights luden mich ebenfalls zu Vorträgen ein. Man bat mich zudem, aus der Thora zu lesen – diese Ehre wurde mir sogar in der grossen Reformgemeinde zuteil, die grösstenteils Mitglieder aus Deutschland hatte und bis Juni 1967 absolut nicht zionistisch ausgerichtet war.

Die Ekstase und Hybris des Krieges nach 1967 führten zur Katastrophe des Jom-Kippur-Krieges 1973 und zu den langen, letztlich fruchtlosen Feldzügen im Libanon. Die Osloer Abkommen vom 17. September1993 eröffneten eine Zeit grosser Erwartungen und Hoffnungen, die mit der Ermordung von Premierminister Itzhak Rabin endete. Doch selbst seine Beerdigung, an der Staats- und Regierungschefs aus aller Welt und aus Nahost teilnahmen, liess die Hoffnung aufkommen, dass es doch noch Frieden geben würde. Diese Zuversicht wurde durch die erste und zweite Intifada sowie den Aufstieg der Rechten und der Siedlerbewegung an die Regierungsmacht zunichte gemacht.

1993 war ich bereits seit neun Jahren Geschäftsführer des Gemeindeverbandes Jewish Federation of Eastern Connecticut gewesen und hatte viele Gruppen nach Israel geführt. Zuvor hatte ich nach meinem Studium in New York City und an der Harvard University als Lehrer gearbeitet. Politisch Mitte-links orientiert, hielt ich in unserer relativ kleinen Gemeinde im Osten von Connecticut auf eine enge Zusammenarbeit mit anderen religiösen und ethnischen Gemeinschaften. Dabei blieb ich stets ein starker Befürworter Israels. Aber bei unseren Reisen dorthin trafen wir immer mit palästinensischen Israeli zusammen und besuchten Ramallah und Beit Sahour, wo uns ehemalige PLO-Funktionäre in ihre Häuser einluden. Wir trafen Muslime, aber auch Christen und christliche Geistliche.

Ich habe viele Verwandte und enge Freunde in Israel. Einige davon sind mit meiner Ermutigung und Unterstützung von hier in Connecticut nach Israel gezogen, wo sie in der Gegend von Tel Aviv, im Kibbuz Nir Oz und im Kibbuz Shomrat leben, aber auch in Afula und der Gilboa-Region, die für ihre ausgezeichneten Beziehungen zwischen der arabischen und der jüdischen Gemeinde bekannt ist. Wir reisten immer voller Zuversicht nach Israel, sogar auf dem Höhepunkt der zweiten Intifada, als wir die Bar Mizwa meines Sohnes und zweier seiner Freunde in Jerusalem feierten. Unsere Gemeinde und jene von Atlanta, Georgia, waren die einzigen, die Israel während dieser schwierigen Zeit besuchten.

Ich war stolz darauf, diese Gruppen zu führen, darunter waren zwei Kongressabgeordnete. Wir nahmen auch an der Konferenz jüdischer Gemeindeorganisationen aus den USA am National Convention Center in Jerusalem teil. Neben meinem Posten als Geschäftsführer hielt ich nationale Ämter wie den Vorsitz der Small Cities Federations, und 2014 hielt ich anlässlich meines 30. Dienstjahres eine Grundsatzrede im Nationalkongress. In diesen Jahrzehnten konnte ich den allmählichen Rechtsruck und die Zunahme des religiösen Nationalismus in Amerika und Israel erkennen, die ohne eine wirksame Opposition gegen ihre Ideologien und ihren Aktivismus blieben.

In den USA höhlt die konservative Mehrheit am Verfassungsgericht die Selbstbestimmung von Frauen über ihre Körper und andere Bürgerrechte aus. Israel hat immer noch keine Verfassung – obwohl dies in der Unabhängigkeitserklärung versprochen wurde. Daher hat dort der Oberste Gerichtshof in wichtigen Fragen das letzte Wort. Die zunehmend einflussreichen Nationalreligiösen in der Netanyahu-Koalition stiessen sich an Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs etwa gegen den illegalen Siedlungsbau. Mit dem Premier an der Spitze betrieben die Rechten die Politisierung und Entmachtung der Justiz, was bekanntlich vor dem 7. Oktober eine immense Protestwelle provozierte. Doch selbst während dieser Zeit führte ich eine grosse Gruppe nach Israel.

Meine Arbeit als Geschäftsführer ging aus einer Kombination traditioneller jüdischer Gläubigkeit und progressiven, säkularen und zionistischen Erfahrungen aus einem multikulturellen Milieu in New York City hervor. Ich liebe die Vielfalt amerikanischer Grossstädte, aber auch die ethnische und religiöse Diversität in Israel. Der Angriff vom 7. Oktober zwang mich zu einer Konfrontation mit den Übeln des dschihadistischen Extremismus auf palästinensischer Seite, aber auch den kahanistischen Elementen in der israelischen Siedlerbewegung. Dazu kommt der unglaubliche Anstieg und die Akzeptanz antisemitischer Proteste und Gehässigkeiten an amerikanischen Universitäten. Zuvor schockierten uns Terrorakte wie der Angriff auf die Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh vor sechs Jahren, der von der einwanderungsfeindlichen Pathologie der Trump-Bewegung inspiriert wurde. Diese Synagoge hatte die traditionsreiche Einwandererhilfe Hebrew Immigrant Aid Society gefeiert – und damit den Massenmörder auf den Plan gerufen.

Die Ideologie des Iran
Israel ist das Heimatland aller Juden der Welt und wird an mehreren Fronten angegriffen. Dahinter steht die islamistische Ideologie des Iran. Doch Amerika hat mit dem jüngsten Urteil des Verfassungsgerichts, das Donald Trump weitreichende Immunität gewährte, einen regelrechten Justizputsch erlebt – ein absolutes Novum in unserer Geschichte. Wir können Amerika retten. Aber die Überwindung des von diesen Richtern verursachten Schadens wird mindestens eine Generation währen. Die Befreiung Israels aus dem Griff der religiösnationalistischen Bewegung wird sicher länger dauern. Womöglich droht dem Land sogar ein Bürgerkrieg zwischen den Rechtsextremen und der säkularen Bevölkerung – sofern diese nicht die Abwanderung vorzieht. Gewalt hat sich in unser Leben eingeschlichen. Und das nicht zum ersten Mal. Aber nun scheint Gewalt ein Mass an Akzeptanz erreicht zu haben, das die Ideale Amerikas und Israels wirklich gefährdet. Es wird Stärke und Mut erfordern, diese massiven, religiös motivierten Herausforderungen zu überwinden.

Und wie leben amerikanische Juden heute? Die stets überparteiliche Unterstützung für Israel ist zu einem politischen Zankapfel geworden. Nach dem Anschlag auf die Tree-of-Life-Synagoge verschärften jüdische Gemeinden ihre Sicherheitsprotokolle, lockerten diese jedoch bis zum Anschlag vom 7. Oktober und dem Gegenangriff in Gaza ein wenig. Seitdem hat sich das Gefühl der Unsicherheit für Juden in Amerika vom institutionellen in den persönlichen Bereich verlagert. Jüdische Studenten wurden kon-frontiert, schikaniert und eingeschüchtert. Und allerorten wurden Juden angegriffen. Von Synagogen abgesehen, machen jüdische Organisationen ihre Aktivitäten nicht mehr öffentlich bekannt und verlangen eine Voranmeldung, bevor sie Veranstaltungsorte bekannt geben.

Juden sind verzweifelt über das Ausbleiben starker Reaktionen aus der breiten Gesellschaft auf das Massaker vom 7. Oktober. Frauen wurden vergewaltigt und ermordet. Zivilisten wurden abgeschlachtet und als Geiseln genommen, doch die Reaktionen von Interessengruppen und internationalen Gerichtshöfen waren schwach bis nicht vorhanden. Statt einer Verurteilung des brutalen Terrors und der Verletzung aller Normen des Krieges und der Politik wurde eine gewisse Genugtuung darüber bemerkbar, dass die palästinensische Sache wieder auf die Tagesordnung der Welt gebracht worden ist. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Palästinenser in Israel und viele im Westjordanland und im Gazastreifen auf die wahllose Gewalt der Hamas gegen Israeli, aber auch gegen Arbeitskräfte und Besucher aus dem Ausland mit Abscheu reagierten.

Präsident Joe Biden hat die Hamas-Aktionen «schlimmer als ISIS» genannt und reiste als Zeichen seiner Solidarität nach Israel. Er hat unser Militär für die Verteidigung Israels mobilisiert, einen massiven Luftangriff des Iran auf Israel gestoppt und arbeitet unermüdlich an der Befreiung aller Geiseln. Ich weiss das aus eigener Erfahrung. Unsere Regierung war nicht nur direkt an der Befreiung meiner Cousine beteiligt, sondern hat Angehörige der amerikanischen Geiseln zu Bidens Rede zur Lage der Nation im März eingeladen. Beamte informieren die Familien laufend über die Verhandlungen und die Lage der Geiseln.

Der Präsident bleibt in dieser Krise auch persönlich engagiert. Wir konnten das selbst erleben, als meine Cousine Liat Beinin Atzili mit mehreren Angehörigen am 8. Juli zu einem Treffen mit Präsident Biden ins Oval Office eingeladen wurde. Die Begegnung hatte Züge eines Shiva-Besuchs. Als wir Platz nahmen, bat der Präsident Liat neben sich und sie sprachen über den Verlust von Ehepartnern. Er liess Liat wissen, dass auch er (mit dem tödlichen Unfall seiner ersten Frau Neilia und der kleinen Tochter Naomi 1972) einen solchen Schlag erlitten hatte, und er sprach ihr Trost zu: die Erinnerung an Aviv werde immer bei ihr sein. Präsident Biden bekräftigte uns gegenüber zudem, dass die USA alles Mögliche zur Befreiung sämtlicher Geiseln und der Beendigung des Kriegs unternehmen werden.

Doch leider sind dem Möglichen Grenzen gesetzt und es wird vielleicht Generationen dauern, bis im Nahen Osten Frieden herrscht. Liat hatte das Glück, in Gaza von einer Familie festgehalten zu werden, die ihr kein Leid zufügte. Dennoch sagten ihre Bewacher, Israel existiere auf muslimischem Land und dieses müsse von den Muslimen zurückerobert werden. Und diese Bewohner von Gaza waren fest davon überzeugt, dass es dazu letztendlich auch kommen wird. Liat hat sich seit ihrer Rückkehr nach Israel offen für die Notwendigkeit des Friedens ausgesprochen. Wie viele Angehörige arbeitet sie unermüdlich dafür, dass die israelische Regierung ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln und einem Waffenstillstand eingeht. Allerdings erkennt sie jetzt auch an, dass Mauern und Grenzen keinen Frieden garantieren.

Denn wo auch immer Propaganda und Aufrufe zum Krieg durch Leid und Armut angeheizt werden, können Mauern und Grenzen Gewalt nicht verhindern. Wie die Dschihadisten überwunden werden können, die nicht nur Israel, sondern Länder weltweit angreifen, harrt einer Antwort. Abschreckung ist eine absolute Notwendigkeit, aber ebenso die Reformierung der islamistischen Bewegung. Solange dies nicht geschieht, wird es im Nahen Osten keinen wirklichen, dauerhaften Frieden geben – weder zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn noch zwischen Schiiten und Sunniten.

Jerry Fischer