podcast 10. Okt 2024

Zeitlos aktuell

Gershom Sholem, Deborah Lipstadt, Jessica Durlacher, Simon Wiesenthal, Imre Kertész, Madeleine Albright, Elie Wiesel (v.o.l.) und viele mehr bilden die Stimmendes neuen Podcasts.

Der neue tachles-Podcast «Echo in die Zukunft» ruft die prägnantesten jüdischen Denkerinnen und Denker seit der Schoah bis heute in Erinnerung. 

«Demokratie ist ja keineswegs eine selbstverständliche Regierungsform. Sie ist ein Ausnahmefall in der Menschheitsgeschichte und eine besondere Errungenschaft einer bestimmten Entwicklung, der wir uns jetzt erfreuen. Das ist etwas, was wir uns wieder verscherzen können, wenn die Freiheit sich nicht selber Grenzen setzt», warnte der Philosoph Hans Jonas im Jahre 1992 und könnte unsere Gegenwart nicht treffender beschreiben. Der neue Podcast «Echo in die Zukunft» justiert die Gegenwart und formiert die Zukunft mit Stimmen von einst, die viel weiter als heute gedacht haben. Jüdische Denkerinnen und Denker, von denen viele die Schoah erlebt haben und von denen viele zu den Pionieren der Demokratieförderung gehören: Stimmen wie jene des jüdischen Religionshistorikers Gershom Scholem, der 1981 in Berlin konstatierte: «Wenn die Juden Juden sein wollen, wird der Staat Israel sich halten» und so mitten in die aktuelle Debatte um die Definition des jüdischen Staates trifft.

Neues Bewusstsein
Der neue Geschichtspodcast vereint neu kuratiertes Archivmaterial des Berliner Radiojournalisten David Dambitsch. Neu aufbereitet und geschnitten zeugen die Gespräche in der Zeit von 1981 bis in die Gegenwart von einer Kontinuität jüdischen Denkens in Europa, Amerika, Israel und darüber hinaus. Viele der aktuellen Fragen rund um Israel, Judentum, Antisemitismus oder zu vielen gesellschaftspolitischen Fragen finden ihre Substanz in den Jahrzehnten nach Kriegsende und sind heute zu sehr aus dem Bewusstsein nicht nur der jüdischen Gemeinschaften gerückt worden. Das war Ausgangspunkt für die intensive Archivrecherche, die Digitalisierung und neue Inszenierung der Gespräche. Dambitsch hat seit den 1980er Jahren für den Westberliner Rundfunksender RIAS Interviews geführt und arbeitet heute für den Deutschlandfunk. Mit feinem Gespür für Menschen und Themen hat er einen Kanon von ineinandergreifenden Stimmen und Gedanken geschaffen, der in der verklärten Retrospektive gemeinhin als gleichstimmiger Chor wahrgenommen wird. Doch effektiv zeigt sich eine Bandbreite von philosophischem, politischem und kulturellem Denken, das die modernen Demokratien substanziell geprägt hat, etwa, wenn Madeleine Albright, Simon Wiesenthal, Elie Wiesel, Imre Kertész, Hans Sahl, Jessica Durlacher oder jüngst Deborah Lipstadt in die Fragen zur aktuellen Zeit und ihres Lebens eintauchen.

Anmerkung zur Moderne
Das Material widerspiegelt die Anfänge der in den 1980er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland einsetzenden, erstmals auf vielfältige gesellschaftliche Gruppen bezogene Aufarbeitung der Geschehnisse während der Schoah, den Blick auf die neuen jüdischen Gemeinden in Europa und gesellschaftspolitische Entwicklungen. Die scharfen Analysen, fundierten Gedanken und die Substanz der Beobachtungen präsentieren sich als zeitlos relevante Anmerkungen zur Moderne, mit vielen Antworten für die Fragestellungen der Gegenwart.

Die erste Staffel des Podcasts startet mit einem Einführungsgespräch mit David Dambitsch zu Entstehung und Archivrecherche, gefolgt von einem Gespräch mit Gershom Scholem. Der Podcast erscheint alle zwei Wochen.

Der Podcast «Echo in die Zukunft» findet sich auf www.tachles.ch, Spotify, iTunes und allen gängigen Plattformen.

Yves Kugelmann